top of page
  • Bruder

Spielt Israel noch eine Rolle im Plan Gottes?


Wurzeln und Gefahren der Ersatztheologie



In der Kirchengeschichte des Christentums gab es Zeiten, da hatte man große Schwierigkeiten mit der Vorstellung, Gott habe die Zurückführung des jüdischen Volkes buchstäblich gemeint. Diese Ansicht hat sich im Laufe der Geschichte verfestigt und ist heute noch im Kopf und Herz vieler Christen vorhanden. Für sie gibt es 100 Gründe, warum Israel nicht mehr Volk Gottes sein kann.

Zum Beispiel habe Jesus seine Nachfolger auffordert, nicht zum Schwert zu greifen und argumentieren das die Juden, auch Judenchristen ihr Land und Jerusalem mit Waffengewalt zurückerobern wollen.


Mit der Steinigung von Stephanus sei ihrer Ansicht nach das Volk Israel von Gott abgeschnitten worden und die 70-Jahrwochen Prophetie aus Daniel 9:27 hätten sich schon vollständig erfüllt. Tatsächlich aber lassen sich diese Gegenargumente mit der Bibel nicht begründen und sind das Ergebnis einer Bibelexegese, mit der sich Christen über die Juden und Menschen stellen, die Christus noch nicht angenommen haben.

Doch das verbreiteste Argument ist, schließlich sei das jüdische Volk jahrhunderte über den ganzen Erdball zerstreut und heftig verfolgt worden. Dies sei ein Beweis dafür, das Israel als Volk nicht mehr existiere und den Schutz und Segen Gottes verloren habe. Aus diesem Grund sind viele überzeugt, Gott habe seine Verheißung bezüglich Abraham aufgegeben.

 

Christliche Gelehrte begannen deshalb die Bibel in diesem Sinne auszulegen, denn sie konnten sich nicht vorstellen, dass Israel eines Tages wieder existieren würde. Wie kam es dazu, dass sich die Lehre, - Gott haben sein Volk unwiderruflich verworfen -, unter den Christen entstehen konnte?

 

Entstehung und Auswirkungen dieser Lehre

 

In den Jahrzenten nach der Gründung der christlichen Gemeinden durch die Apostel Jesu gab es eine Reihe von Entwicklungen, die zum Entstehen dieser sogenannten „Ersatztheologie“ beitrugen, und zwar die Lehre, Gott sei mit Israel am Ende. Gemäß Apostelgeschichte 20:21 sei von nun an die von Jesus und den Aposteln gegründete christliche Kirche das wahre Israel. Dabei verweisen sie auf Paulus der in Apostelgeschichte 20:21 sagte:

Ich habe euch alles gepredigt und gelehrt, was eurer Rettung dient – öffentlich, aber auch in euren Häusern. Juden wie Nichtjuden habe ich eindringlich aufgefordert, dass sie zu Gott umkehren und an Jesus, unseren Herrn, glauben sollen.

 

Diese Worte von Paulus sind jedoch kein Beleg dafür, dass die Verheißungen Israels auf die von den Aposteln gegründete christlichen Kirche übergegangen sind. Im Laufe der Zeit distanzierten sich die „messianischen Juden“, also Juden, die Christus angenommen haben, weiter vom Rest der jüdischen Welt. Im ersten Aufstand gegen die Römer (70 n. Chr.) gehorchten die messianischen Juden den Worten Jesu, und flohen aus der Stadt, und blieben weitgehend verschont.

 

Die zweite jüdische Revolte, ausgelöst durch Rabbi Akiva, der die Juden dazu aufrief, die Römer unter seiner Führung zu bekämpfen (132-135 n. Chr.), führte dann dazu, dass sich die „messianischen Juden“ noch weiter vom restlichen Israel distanzierten. Sie weigerten sich, am Aufstand unter der Führung eines falschen Messias’ teilzunehmen. Auch diesen zweiten Aufstand überlebten die messianischen Juden weitgehend unbeschadet, da sie nicht am Aufstand teilnahmen und sich an das Gebot Jesu hielten, nicht zum Schwert zu greifen.

Die überlebenden Leiter der Pharisäer erheben jedoch bis heute den Anspruch, die legitime Form des Judentums zu sein und erklärten die jüdischen Nachfolger Jesu zu Verrätern und Abtrünnigen, und schlossen sie aus der jüdischen Gemeinschaft aus.

 

Zur selben Zeit blühte das Evangelium unter den Nichtjuden oder sogenannten Heiden, die schnell zur großen Mehrheit innerhalb der frühen Kirche wurden. Diese Mehrheit der „Nichtjuden“ oder der Menschen aus den Völkern stießen die jüdischen Wurzeln ihrer Kirche bald ab und nahm eine mehr griechisch-römische Ausprägung an.

 

Das führte dazu, das in der christlichen Welt unter denen Gläubige die Ansicht überhandnahm, dass mit „Israel” in Wirklichkeit „die christliche Kirche” zu verstehen sei. Das Volk Israel war zerstreut und ihr Land zu „Palästina” umbenannt worden.  Viele ihrer Kirchenväter schrieben unglaublich boshafte Dinge über das jüdische Volk und erklärten, Israel sei durch die christliche Kirche nun ersetzt worden. Damit wurde der Grundstein für diese „Ersatztheologie“ gelegt.

 

Nun begann man damit, die Bibel in einer sinnbildlichen und gleichnishaften Weise auszulegen, indem sie alle wörtlichen Auslegungen beseitigten, einschließlich der Rolle Israels im Plan Gottes. Dies führte dazu, dass die frühe Kirche das reale Land Israel, Jerusalem und den Bau des Tempels als unbedeutend oder sogar schlecht ablehnte und alle Bezüge zu Israel im Sinne der christlichen Kirche umdeuteten, und durch die christliche Gemeinde oder Kirche als erfüllt sahen.

 

Im Jahr 115 n. Chr. drängte Bischof Ignatius von Antiochien seine Leser dazu, „alles jüdische abzulehnen“. Er lehrte, dass vier eindeutige prophetische Bibelstellen über die künftige Errettung Israels - (Jesaja 26, Hesekiel 37, Hesekiel 38 und Jeremia 23) – sich schon dadurch erfüllt hätten, dass Nichtjüdische Menschen an den Messias glaubten. Und so entwickelte sich diese Theologie im Laufe der Jahrhunderte immer weiter, und wird auch heute noch, nicht nur von evangelikalen Sekten, sondern auch von den großen christlichen Kirchen, und teilweise auch von Jehovas Zeugen vertreten.

 

Es war dann Origenes (185–254), Bischof von Alexandrien, der die theoretische Grundlage der Ersatztheologie etablierte, indem er eine gleichnishafte Auslegung der Bibel entwickelte, die in Übereinstimmung mit dem Geist der griechischen Philosophie stand.

 

Seit dem Mittelalter galt die Ersatztheologie und antijüdische Einstellungen als unanfechtbar, und wurde zur Norm in der Kirche. Martin Luther (1483- 1546), der Initiator der protestantischen Reformation, war enttäuscht darüber, dass das jüdische Volk nach der Reformation Jesus nicht sofort annahm, und entwickelte eine ausgeprägte Abneigung gegen die Juden.

 

Diese neue Theologie lehrt von nun an, dass Gottes Bündnisse mit Israel aufgehoben wurden, weil es den Messias als Volk abgelehnt hatte. Von nun an nahm die christliche Gemeinde den Platz Israels im Plan Gottes ein. Diese „Ersatztheologie“ lehrt, dass alle Segnungen, die in der Bibel bezüglich des jüdischen Volkes erwähnt werden, nun der Kirche gehören und in ihr Erfüllung finden.

Viele Bibelstellen, die von den künftigen Segnungen und der Wiederherstellung des jüdischen Volkes in seinem Land sprechen, wurden von nun an nur im „geistlichen“ bzw. übertragenen, gleichnishaften Sinn ausgelegt. Die Erfüllung der Verheißung für Abraham, würden sich in Verbindung mit der Kirche erfüllen, oder haben sich schon erfüllt.

Das ist der Grund warum es keinen Sinn macht mit Christen, die 100 Gründe anführen, warum Israel nicht mehr Volk Gottes sein kann, biblisch zu argumentieren, weil alle eindeutigen biblischen Beweise von ihnen im übertragenen, gleichnishaften Sinn ausgelegt werden. Doch an keiner Stelle wird weder im Alten- noch im Neuen Testament bezüglich Gottes Verheißungen mit Israel im übertragenen oder symbolischen Sinn gesprochen. Ihre angeführten 100 Gründe, warum Israel nicht mehr Volk Gottes sein kann, lassen die Gerechtigkeit Gottes auser acht, eine Gerechtigkeit, die im Gegenstz zur menschlichen Gerchtigkeit steht. Diese Menschen passen Gottes Vorstellungen bezüglich seiner Gerechtigkeit an ihre menschliche Vorstellungen an.

 

Die Ereignisse von 1948 haben dann jedoch die Möglichkeit eröffnet, dass, wenn die Bibel über Israel spricht, man die Verheißungen doch wortwörtlich verstehen kann. Diese Entwicklung könnte eine Gelegenheit sein zu erkennen, dass Gottes Wort sich als viel wahrer und buchstäblicher erfüllt, als viele sich das vorgestellt haben. Ja, es ist richtig, dieses Ereignis erfolgte auf Grund politischer Entscheidungen und mit Waffengewalt. Dies muss aber kein Grund sein, das Wirken Gottes auszuschließen.

 

Die Ereignisse von 1948 führten nicht nur zur Neugründung des jüdischen Staates und Wiederherstellung ihres  Heimatlandes, sondern auch zum Wideraufleben der Feindschaft zwischen den dort ebenfalls lebenden arabischen Völkern, den Nachkommen Hagars und Abrahams. Die Kräfte des Islam und der Zorn von umgesiedelten palästinensischen Arabern bedeuteten, dass sich zur Freude über die Erfüllung von Gottes Verheißungen nun Gewalttaten, Aufstände und Leid gesellten.

 

Aber wie gesagt, Trotz der Tatsache, dass die Herrschaft des Islams über das Heilige Land zu Ende gegangen und das jüdische Volk nach zweitausend Jahren auf wunderbare Weise wieder gesammelt wurde, betrachteten die meisten christlichen Araber die Ereignisse weder als erfreulich noch als von Gott gelenkt. Die Beurteilung, inwieweit die Gründung eines jüdischen Staates und Zusammenführung der weltweit verstreuten Juden von Gott tatsächlich gelenkt wurden liegt nicht in unserer Macht. Was aber bleibt ist eine weitere buchstäbliche Erfüllung biblischer Verheißungen bezüglich Israel. 

 

Vieleicht müssen Christen, die keine jüdischen Wurzel haben nun ebenfalls lernen umzudenken, so wie die Juden damals, als sie akzeptieren mussten das Gottes Verheißung, auch die Heidenvölker miteinschloss. Es kann durchaus sein, dass, genau wie die fundamentalen Juden auch fundmentale Christen verstockt in ihrer Glaubensüberzeugung verharren.

 

Statt sich über die buchstäbliche Erfüllung der Verheißungen Gotte zu freuen, wurde von den christlichen Führern in neuerer Zeit die „Ersatztheologie“ in eine „Erfüllungstheologie“ umbenannt. Der Ausdruck klingt weniger stark nach „feindlicher Übernahme“, das Wesentliche aber ist dasselbe, wenn man behauptet: „Die einzig wahre Erfüllung aller Verheißungen und Prophezeiungen in Bezug auf Abraham seien in der Person Jesu bereits geschehen. Hier wird Wahres mit Falschem vermengt.


Jesus zielte nicht auf eine Wiederherstellung Israels als solches hin, so die Verfechter dieser „Erfüllungstheologie“. Das ist richtig, Jesus ging es nicht nur um die Wiederherstellung Israel. Doch die Verfechter der „Erfüllungstheologie“ gehen weiter wenn sie lehren das Jesus die Wiederherstellung Jerusalems mit seinem eigenen Leben vollendet habe. Deshalb habe der Anfang der Wiederherstellung Israels gewissermaßen durch Jesus Christus begonnen. Mit seiner Auferstehung sei der neue Tempel, das neue Jerusalem auferweckt wurde. Das bedeutet also, dass alle Verheißungen bezüglich der Rückkehr des jüdischen Volkes in ihr Land bereits in Jesus erfüllt worden seien.

 

Diese Denkweise führt aber zu einer Reihe von Problemen. Erstens entstand diese Theologie aus der Sorge um soziale Gerechtigkeit und Fairness, denn sie störten sich, an Gottes scheinbarer Parteilichkeit. Doch damit passt man Gottes Vorstellungen bezüglich seiner Gerechtigkeit an menschliche Vorstellungen an, eine Handlung, vor der Paulus damals die Juden, aber auch uns heute in Römer 10:3 warnte:

 

„Denn sie erkennen die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt, und suchen, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, und sind so der Gerechtigkeit Gottes nicht untertan“.

 

Gerechtigkeit ist bei Gott mehr als eine ausgewogene Rechtsprechung. Es geht darum, dass alle Geschöpfe zu ihrem Recht kommen. Dabei kommt es zum Beispiel nicht darauf an, dass der, der mehr tut, auch mehr bekommt. Gottes Gerechtigkeit kann man sich nicht verdienen, oder auf Grund von Leistung einfordern. Diese Tatsache bekräftigt Gott Beispielhaft mit dem Geschick Israels. Wie Gott sich im Alten- und im Neuen Testament offenbart erfahren wir wie treu, verlässlich er ist, und seine Versprechen einlöst. Er greift zugunsten des Schwächeren ein und will Menschen nicht zerstören, sondern retten. Zu Ende gedacht führt eine Theologie, die an der Bibel nur das akzeptiert, was uns richtig und angenehm dünkt, zu einer völligen Verneinung der Göttlichkeit und Autorität des biblischen Textes.

 

Zweitens sollte man bedenken, dass das Wort Israel in der Bibel mehr als 800 Mal erwähnt wird, davon 79 Mal im Neuen Testament, was die Wichtigkeit des Konzeptes von Israel aufzeigt. Aber niemals bezieht die Bibel Israel auf „die Kirche“.

 

Versuche einmal Römer die Kapitel 9-11 zu lesen, und immer, wenn „Israel“ geschrieben steht, ersetze es mit „Kirche“.  

Du wirst sehr schnell erkennen, dass dann der Text überhaupt keinen Sinn ergibt. Nur als Beispiel einige Verse, Kapitel 9:30

30 Was wollen wir hierzu sagen? Die Heiden, die nicht der Gerechtigkeit nachjagten, haben Gerechtigkeit erlangt, nämlich die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt. 31  Die Kirche (Israel) aber, das dem Gesetz der Gerechtigkeit nachjagte, hat das Gesetz nicht erreicht.

 

Oder 10 Vers 19


Ich frage aber: Hat es die KIRCHE (Israel) nicht verstanden? Als Erster spricht Mose: »Ich will euch eifersüchtig machen auf ein Nicht-Volk; über ein unverständiges Volk will ich euch zornig machen.« 20 Jesaja aber wagt zu sagen: »Ich ließ mich finden von denen, die mich nicht suchten, ich offenbarte mich denen, die nicht nach mir fragten.« 21 Zur KIRCHE (Israel) aber spricht er: »Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt nach einem Volk, das sich nichts sagen lässt und widerspricht.«

Oder Römer 11 : 1:

 

„ So frage ich nun: Hat denn Gott sein Volk verstoßen? Das sei ferne! Denn auch ich bin eine KIRCHE (ein Israelit) vom Geschlecht Abrahams, aus dem Stamm Benjamin.

 

Du siehst, das ergibt keinen Sinn. Mit Israel ist tatsächlich ‚Israel‘ gemeint, sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament! Auch wenn das Neue Testament Israel und die Kirche oft mit ähnlichen Worten beschreibt, beide sind die Braut Gottes, Kinder Gottes, auserwähltes Volk usw., so nennt das Neue Testament die Kirche niemals „Israel“.

 

Und schließlich: Das Bestreben der Christen, Israel aus den Plänen Gottes zu entsorgen, bedeutet, dass Sie letztlich ihr eigenes Gefährt in den Abgrund steuern. Denn sobald Sie Gottes Verheißungen als unbeständig betrachten, gilt dies auch für seine Verheißungen Ihnen gegenüber.

Wenn Gottes unbedingte Verheißungen an Israel bezüglich seiner Bewahrung, Wiederherstellung und Errettung nur gerade gleichnishaft gemeint sind und aufgehoben werden können, was sind dann seine Verheißungen uns gegenüber wert?

 

Gott hält sein Wort, auch wenn es uns stört und wir die Erwählung Israels durch Gott für ungerecht halten. Aber Gott hat sich nicht einen Günstling ausgesucht. Er suchte ein Gefäß, um sein Wort (das Geschriebene und das Fleischgewordene) zur Erde zu bringen. Und er wählte sich ein Beispiel. Er hat Israel auserwählt, um der Welt Anschauungsunterricht zu erteilen. Und es gab viele Zeiten, in denen sich diese Rolle als extrem hart und kostspielig erwiesen hat.


Wenn ein Richter beschließt, jemanden „exemplarisch“ zu bestrafen, dann geht es nicht nur darum, das Verhalten des Straftäters zu korrigieren, sondern allen Beobachtern rundherum eine Lektion zu erteilen. Auch das ist ein Teil dessen, was die Auserwählung Israels beinhaltet.

 

Trotz aller Verfehlungen und Sünde Israels hält Gott um seines Namens willen immer noch an seinen Verheißungen fest. Die Welt soll diese Lektion sehen und verstehen, die Israel für uns in dieser besonderen Zeit darstellt: Gott hält seine Verheissungen.

 

Quelle: Dr. Erez Soref, Direktor Israel College of the Bible

1.182 Ansichten64 Kommentare
bottom of page